Ach Fußball, was machst Du nur mit mir? Am Mittwoch habe ich mir noch gewünscht, ein anderes Hobby zu haben, was für Mädchen, vielleicht etwas mit Pferden, oder in rosa, oder einfach nur mit ohne Fußball, Pöbeln und Herzschmerz.
Und nur drei Tage später könnte ich die ganze Welt umarmen.
Aber von vorn.
Mein Hamburg-Wochenende begann am Freitagabend mit einem Umweg. Nedfuller holt mich immer am Bahnhof ab. Auf dem Weg zu seiner Wohnung fahren wir normalerweise an der Außenalster an dem Hotel vorbei, in dem meist der Gegner absteigt. Heißt: Das Hotel, vor dem der Mannschaftsbus parkt.
Während das früher Glück brachte, schien damit in den letzten Wochen immer das Übel anzufangen. Daher fuhren wir diesmal eine andere Strecke.
Den Weg zum Stadion legten Nedfuller, Timbotania und ich mit gesenktem Blick zurück, denn auch da galt es, auf keinen Fall (Wie sonst oft) den anreisenden gegnerischen Bus zu sehen. Es klappte.
Im Stadion angekommen erwarteten uns Din-A-3-Pappen mit “Wir für Euch – Ihr für uns”-Aufdruck. Fleißige Helfer, darunter auch meine liebe Kommentatorin Carina und ihre Schwester, hatten sie Samstag ab 8.30 Uhr gefaltet und verteilt. Sogar der verletzte Dennis Diekmeier war mit von der Partie.
So sehr ich große Choreos liebe – zuletzt hatten wir damit nie Glück. Das war nicht nur mir aufgefallen, auf Twitter, Facebook und hier in den Kommentaren fiel immer wieder das Wort “Choreofluch”. Es war an der Zeit, ihn zu brechen.
Vor der Choreo gab es, wie immer, Hamburg meine Perle. Da Pape, der Loddo sonst mit der Gitarre begleitet, ausfiel, war es die deprimierendste und traurigste Perle-Version aller Zeiten. Mit auf dem Kran war nämlich der Keyboarder der Barmbek Dream Boys – und irgendwie mußten wir da schon sehr schlucken.
Das war allerdings nichts im Vergleich zum Einlaufen der Mannschaften. 57.000 Pappen gingen in die Höhe. Ein Bild, bei dem ich immer noch Gänsehaut bekomme. Ich war zu ergriffen, um Fotos zu machen, und sah auch irgendwie leicht verschwommen… Nedfuller half mir netterweise mit einem Foto aus:
Dann, endlich, Anpfiff. Denn all dem Elend der letzten Wochen und Monate zum Trotz: Ich hatte Bock auf Fußball. Und den bekam ich überraschenderweise auch!
Während wir auf den Rängen alles gaben, gab auch die Mannschaft auf dem Platz auch alles. Es wurde gekämpft, es war Einsatz da, Aufmerksamkeit, Konzentration.
Schon die Anfangsphase machte Mut. Ballbesitz, Druck nach vorne, erste Schüsse Richtung Tor.
Dann kam die 12. Minute. Son, der kleine, dünne Son, marschierte einfach mit dem Ball am Fuß quer durch halb Hannover und schob ihn dann durch vier Hannoveraner und am Torwart vorbei ins Tor.
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!! Was für ein tolles Tor.
Und es ging weiter, der HSV machte weiter Druck, kurz drauf über einen schnellen Abwurf von Drobny, der über zwei, drei Stationen nach vorne gespielt wurde und wieder bei Son landete. Sie können es ja doch noch!!
Es gab mehrere gute Torchancen, es hat aber nicht sollen sein. Auf der anderen Seite mußte man in der ersten Halbzeit wenig Angst vor Gegentreffern haben, da gab es wenig Situationen.
In der zweiten Halbzeit machte Hannover mehr Druck, es gab einige kritische Situationen, aber Drobny war da, wenn es die Abwehr mal nicht war. Es gab auch weitere HSV-Chancen, aber Zieler rettete, wenns brenzlich wurde.
Um 17.17 Uhr hob der vierte Offizielle sein Täfelchen. Vier Minuten Nachspielzeit. Uff. Es begannen vier Minuten wie vier Jahre.
Ich blickte zur Uhr – 17.17 Uhr.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – 17.17 Uhr.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – scheiße, IMMERNOCH 17.17 Uhr? Ist das Ding kaputt?!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – waaaaaaah.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – verflucht, erst 17.18 Uhr.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – JETZT DRÜCK DOCH MAL EINER DEN SCHNELLVORLAUF DA!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte vorsichtig zur U… DAS KANN DOCH NICHT SEIN!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – 17.19 Uhr. Immer noch zwei Minuten. Verflucht, jetzt mach doch mal einer was! Können wir nicht nochmal wechseln?!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – 17.20 Uhr. Noch eine, kommt Jungs, das schaffen wir!
Ich tastete in der Tasche nach der Kamera. Nur nicht zu früh die Anzeigentafel fotografieren, nicht, daß das noch schiefgeht.
Ich machte ein Foto.
Ich sah, wie der Schiri seine Pfeife in den Mund nahm.
Der Rest war Jubel, als hätten wir gerade einen Titel gewonnen.
Endlich, ein Heimsieg. Der erste seit Nürnberg in der Hinrunde. Der erste 2012.
Endlich wieder UFFTA. Wobei, stimmt nicht. Es war eine UFFT. Mit ganz vielen “NUR DER HSV!”s und “NIEMALS ZWEITE LIGA!”s.
Und mit einer Mannschaft, die ausgelassen mit den Fans tanzte und feierte.
Übrigens, bevor hier Fragen aufkommen: Petric spielte nicht, grippaler Effekt. Und wißt Ihr was? Ich habe ihn nicht eine Sekunde vermisst. Son und Berg haben das gestern einfach großartig zusammen gemacht!
Ich wollte nach Abpfiff die ganze Welt umarmen – und fing stellvertretend bei einem Sieges-Bierchen mit Teilen der Timeline an.
Fußball kann so schön sein!
Was bleibt, sind zwei Choreo-Pappen, eine immer noch etwas kratzige Stimme, eine schmerzende rechte Wade (Vom Hüpfen oder vom Torjubel, wer weiß das schon so genau) und ein lädierter linker Arm.
Und ein ganz breites Grinsen. Erleichterung. Hoffnung. Und ganz, ganz viel Liebe für diesen Verein.
In diesem Sinne:
NUR DER HSV!
Was ein Kampf.
Meine Nerven. Diese Uhr, ich werde niemals vergessen, wie oft man in 4 Minuten auf die Uhr schauen kann.
Heimsieg! Endlich!
15. Apr. 2012 | #
Das Spiel, das Gefühl, NUR DER HSV – unbezahlbar!
16. Apr. 2012 | #
Meine Stimme ist auch immer noch angeschlagen und irgendwie habe ich heute den Muskelkater, den ich gestern hätte haben müssen. Aber es beweist mir auch, das ich alles gegeben habe. Und was kann es schöneres geben, als zu wissen das all dies belohnt wurde?
NURDERHSV!
16. Apr. 2012 | #
Ich gebe es zu – ich habe geheult …mir sind die Alpen vom Herzen gefallen und meine Bayern Nachbarn waren etwas erschrocken , aber ich bin ja eh die norddeutsche Irre hier ….etwas paranoid wurde ich nur ,als PAPIER auf dem RASEN war …mann, wir wissen alle was passieren kann…das war nicht lustig
16. Apr. 2012 | #
Ich will hier ja nicht die Stimmung vermiesen, aber Herr Diekmeier kam erst, als wir schon fertig waren und hat für die Presse eine schon verteilte Pappe wieder aufgehoben und erneut hingelegt.
Auf der anderen Seite waren wir auch ziemlich schnell fertig. Vielleicht wollte er ja wirklich mithelfen.
16. Apr. 2012 | #
Nicht nur auf den Stehplätzen lebt man gefährlich. Beim Schlusspfiffjubel hab ich mir auch die rechte Schulter etwas beschädigt. Völlig ohne Einwirkung des Nebenmanns, nur wegen dem ekstatischen Jubel :D
Ansonsten ein sehr schöner Blogeintrag zu einem sehr schönen Nachmittag. Nur offensichtlich hast Du was mit dem unsäglichen Schiedsrichter gemein: “In der zweiten Halbzeit machte Hannover mehr Druck, es gab einige kritische Situationen, aber Drobny war da, wenn es die Abwehr mal nicht war”. Denn nur ihr beide wollt gesehen haben, dass Drobny einen Schuss von Pander GEHALTEN hat, der deutlich NEBEN DAS TOR ging. Was hab ich bei der unberechtigten Ecke geflucht. Ich kann mich an keinen einzigen Ball in der zweiten Halbzeit erinnern, den unser Keeper halten musste!
Aber Flanken hat er brav und sicher abgefangen. Und da sind wir in der Nachspielzeit, genauer gesagt um 17:19 Uhr. Schmiedebach mit einem gaaaanz langen Einwurf in den Strafraum und Air Drobny segelt A380-gleich durch die Lüfte und pflückt das Ding runter. Da wusste ich, jetzt haben wir das Ding im Sack. Bis zur Erlösung vergingen noch paar Momente, aber dann war es Zeit, die ohnehin labbrigen Bänder in der Schulter nachhaltig weiter zu beschädigen.
Fabian, wann Diekmeier kam, ist doch nun wirklich egal. Das Wochenende zuvor war er noch mit Krücken im Stadion, wenn er jetzt schon normal gehen und ne Pappe aufheben kann, dann reicht mir das ;)
16. Apr. 2012 | #
Nix schlimmeres als vier Minuten Nachspielzeit bei einem 1:0.Nix schlimmeres als vier Minuten Nachspielzeit bei einem 1:0 in dieser Situation. Uns hat letztes Jahr die Nachspielzeit den Sieg gegen die Bayern gekostet. Zwei Punkte mehr – und wir wären drin geblieben…. Don’t look back.
No-look-Bus? Ich dachte ja immer, das hieße „No-look-Pass“….*g
Zum Thema Choreo-Fluch könnte ich auch ein Liedchen singen. Alles angerichtet, alles bereit für einen großen Tag – und dann steht man da. Luftballons, Schlusspfiff, keine Punkte, Depri, elend. Die Luftballons und Schnipsel, die noch herumfliegen, die fotso, die man gemacht hat – wie ein zusätzlicher Hohn. In diesem Sinne war die Schilder-Choreo ja fast so etwas wie eine Anti-Choreo – einfach und auf den Punkt. Jetzt gilts. Wir für euch, ihr für uns. Genial!
Klassenerhalt Geschafft. Glückwunsch! Wir sehn uns in der nächsten Saison. Was e Glück!
Grüße aus Frankfurt, K.
16. Apr. 2012 | #
also, klappt doch.
rotundschwarz, WIR sind noch nicht durch :-)
grüße – so von pappkamerad zu pappkamerad
beve
17. Apr. 2012 | #
beve,
auch wenn das hier Pleites Blog ist, gestern abend haben wir Euch doch “durchgeholfen” :-)
und in DD sind inzwischen selbst das Montagabend-Syndrom und das Einklatschsyndrom (der Capo klatscht 5 Minuten vor Beginn vom Rasen aus mit dem ganzen Stadion ein) überwunden. Sonst sicher Niederlagengaranten…
Irgendwann reißt jede abergläubische Serie. Pleite sollte also doch wieder freien Blickes zum Stadion flanieren, nicht mit Kopf unten :-) und den Gegnerbus anlächeln.
Ich vermute ein bedeutungsloses HSV-Schlussspiel in Augsburg und versteige mich zur Prognose, dass Real Madrid (teilweise) über Kölns Abstieg entscheidet. Hauen sie die Bayern raus, hauen die aus Frust dafür am letzten Tag die Kölner weg. Wollen sich die Bayern allerdings für beide Finals schonen, hm. Aber Köln und Hertha haben doch eigentlich schon ausgeblendet, für mehr als Rang 16 zu spielen.
In Dresden vermeldet man ein Probetraining von Besic. Wasn das für einer? Gilt als schwierig, sagt man.
17. Apr. 2012 | #
Jawohl, das mit dem Mannschaftsbus kann ich nur bestätigen! Deem weichen wir seit der Schlappe gegen Bremen (vorher vor besagtem Hotel gesehen) auch weitläufig aus …
18. Apr. 2012 | #
[...] gesagt kennen wir auch sonst keine, die ein Fußball-Blog betreibt. Warum machst du nicht “was für Mädchen, vielleicht etwas mit Pferden, oder in rosa, oder einfach nur mit ohne Fußball, P…”? “Manchmal (Nach 4:0-Klatschen in Hoffenheim, zum Beispiel) frage ich mich das auch [...]
18. Apr. 2012 | #
We played, we won! This time…
Diese Wundertüte von Mannschaft lässt mich immer zwischen Herzinfarkt und Herrlichkeit schwanken. Hoffentlich haben unsere Jungs sich zum Saisonstart 2012/2013 eingespielt und gefunden, damit wir wieder das echte Gesicht dieser Truppe sehen können. Ich bin allerdings nach wie vor skeptisch, da ja tragende Säulen wie Drobny und Jarolim gehen sollen.
19. Apr. 2012 | #
Vereinsfußball macht alt, Nicole. ;-) Alex Schur hat nach dem Klassenerhalt der Eintracht im Mai 2000 gesagt: „Wir haben die ältesten Fans der Liga, bei uns sehen 16-jährige aus wie dreißig.“ Er hat Recht. Wenn ich mich heute auf dem Amt schätzen lasse, geben die mir gleich einen Rentenantrag mit. :-)
Ich freu mich, dass der HSV das bleibt, was er ist und immer schon war: erstklassig.
26. Apr. 2012 | #