Kinners, Ihr ahnt es: in meinem Kopf regieren Versalien, Ausrufezeichen und HSV-Gesänge. Ich habe heute der Wissenschaft mal wieder ein Schnippchen geschlagen und bin innerhalb von 90 Minuten 10 Jahre gealtert. Und ja, verdammt, ich hatte Pipi in den Augen. Ich darf das, ich bin ein Mädchen.
Ich gebe zu: ich hatte ein wenig Angst vor dem Spiel. Es war immerhin nicht irgendso ein Punktelieferant aus Bayern. Sondern es waren die Pillendreher.
Und, viel wichtiger: alle anderen hatten für uns gespielt. Das war in der Vergangenheit leider gern ein Indiz dafür, daß wir gegen uns spielten. Aber wie bei Donvanone schon in den Kommentaren angemerkt: Jede Serie reißt mal! Auch die, daß wir uns selbst schlagen, wenn es sonst keiner tut.
Zu allem Elend ist Leverkusen auch die beste Auswärtsmannschaft – und spielte bekanntermaßen in der LTU-Arena Düsseldorf, anstatt zu Hause. Heimspiele auswärts, das ist schon sowas ähnliches wie Wettbewerbsverzerrung. Aber was soll’s, der HSV fürchtet schließlich weder Tod noch Teufel. Und mein Fax an den DFB mit dem Antrag, daß der HSV als beste Heimmannschaft die restlichen Auswärtsspiele im Volkspark absolvieren darf, ist schon unterwegs…
Es ging gleich gut los, der Stimmung nach war der HSV sofort hoch überlegen. Man hörte eigentlich NUR die Gesänge der 8000 HSV-Fans – bei einem Auswärtsspiel ja eher ein Armutszeugnis für die (32000) Heim-Fans. Aber gut, wir sprechen von Bayer Leverkusen, die Frage, ob die überhaupt Fans haben, beschäftigt mich seit mehreren Jahren.
Vom Lärmpegel her nahm ich allerdings an, daß es die Karten für den Leverkusen-Block als Zugabe zur Familienpackung Aspirin gab.
In der 18. passierte das, was sich in den letzten Wochen schon abgezeichnet hat: Marcell Jansen machte endlich ein Tor. Mit rechts. Und was für eins!! Das erste für den HSV, das erste seit seinem Abschied aus Gladbach vor drei Jahren.
Der zwischenzeitliche Ausgleich trieb meinen Puls hoch, das Spiel kippte. Leverkusen war präsenter, es gab mehr Szenen vor Rost. Aber Fäustel hielt. Oder faustete.
Allein bis zur Pause starb ich 1000 Tode. Ich ertappte mich mehrfach dabei, wie ich die Luft anhielt. Und die Live-Übertragung anbrüllte. Und mitsang, wenn aus dem HSV-Block ein “Wenn wir in der Gästekure steh’n…” kam.
Kurz vor der Pause dann wieder eine dieser absurden Fußballer-Verletzungen, Gravgaard kugelte sich den kleinen Finger aus und mußte runter.
Für ihn kam Benjamin, der nunja, halt mit ein wenig Körpereinsatz spielt. Wie sagte der Reporter so schön? “If you wanna find out where Benjamin has been, just look for the bodies” – ein klarer Fall von “Leichen pflastern seinen Weg”. Aber wie sag ich so oft? Ein bißchen Schwund ist immer.
In der Halbzeitpause holte ich nicht nur tief Luft, sondern auch noch Verstärkung. Die Hummel Hummel und mein HSV-Halstuch, das noch keinen Stadionbesuch mit mir verpaßt hat. Manchmal muß man eben schwerere Geschütze auffahren…
Und was soll ich sagen? Es half. Marcell Jansen zeigte, daß er auch noch einen linken Fuß hat, und machte das 2:1. Aber klar, auf einem Bein steht es sich auch so schlecht. Hammer, der Kerl.
Ab da zittern pur. Ich habe zwischendurch überlegt, einfach auszuschalten. Ich konnte das nicht mehr ertragen, ich bekam bei jedem Leverkusener Angriff Panik. Andererseits wäre ich auch irre geworden, wenn ich es nicht gesehen hätte… Elende Zwickmühle.
Die verbleibenden 30 Minuten waren die wohl längsten meines Lebens. Selten klang ein Schlußpfiff so mozartiös in meinen Ohren.
Und da war es endlich wieder: SPITZENREITER, SPITZENREITER, HEY, HEY!
Zuletzt stand der HSV 1982 im Februar auf Platz 1. Und wo stand der HSV 1982 am letzten Spieltag? Richtig…
Diesem Team traue ich langsam wirklich alles zu. Und wenn ich das schreibe, und daran denke, welche Eisen wir noch im Feuer haben, bekomme ich schon wieder Gänsehaut.
Zum Rest der Liga muß man gar nicht so viel sagen.
Hertha bei Golfsburg verloren, Stuttgart gegen Hoppenheim dreidrei, Wer da? in Cottbus auf die Mütze bekommen – und Bayern unterlag zu Hause Köln. An Karneval. Muahahaha. Selten so was lustiges gehört.
Apropos hören, dieses leichte Scharren, das man manchmal hört… Nein, das ist kein schnarchender Nachbar. Das ist das Sägen an Klinsmanns Stuhl. Und sollte man irgendwann demnächst mal einen lauten Knall hören, dann ist das nicht Klinsis Stuhl, der umfiel – das war dann Hoeneß, der vor Wut geplatzt ist. Aber ich sag ja, ein bißchen Schwund ist immer…
In diesem Sinne: Schwarz, weiß, blau, Du schöööner HSV…