Wer hier regelmäßig mitliest, weiß: So sehr ich im restlichen Leben meine Entscheidungen rational treffe – so bekloppt abergläubisch bin ich beim Fußball. Ich glaube ganz ernsthaft an die Kraft der Glückssocken und würde mich schuldig fühlen, wenn ich die Hummel Hummel nicht dabei hätte und der HSV verlöre. Ich glaube auch daran, daß ich nie wieder mit dem Auto zu einem Heimspiel gegen Wer da? fahren darf.
All das machte mir all die Jahre den Kauf eines Trikots zwar nicht unmöglich, aber doch zumindest schwer. Klar, wollte ich eins. Nur was, wenn ich mir eins kaufe, und der HSV dann nur noch verliert? Was, wenn der Spieler, dessen Namen ich auf dem Rücken trage, sich verletzt? Und vor allem: Kaufe ich das Trikot in M, L, XL oder XXL? Was so viel heißt wie: Kaufe ich es in passend, in “Da geht noch ein Pulli drunter”, “Das paßt auch noch über die Regenjacke” oder in “Wenn ich heimlich ins Stadion ziehen will, kann ich unter dem Trikot den halben Hausstand reinschmuggeln”? Für einen Entscheidungsprokrastinateur wie mich eine nahezu unlösbare Aufgabe.
Zuletzt durfte ich ein Trikot vom Herrn Nedfuller ausführen. Jetzt muß ich das nicht mehr: Ich habe nämlich ein eigenes. Und zwar ein ganz wunderbares, das man kaum noch im Stadion sieht.
Vor einigen Tagen bot mir nämlich Thomas Knüwer sein 80er-Jahre-Trikot an. Kein Retro-Nachdruck, ein echtes. BP-Werbung. Erima. Ihr wißt schon: damals. Die guten, alten Zeiten – als der HSV noch richtig erfolgreich war und ich mit der Rassel um den Weihnachtsbaum bin.
Ich vermute, es hat selten jemand ehrfürchtiger ein Trikot ausgepackt als ich. Und das, obwohl ich da noch nicht mal wußte, daß es live bei der vorletzten Meisterfeier war. Es paßt wie angegossen und ich würde es am liebsten gar nicht mehr ausziehen. Es ist eines der großartigsten Geschenke, die ich mir vorstellen kann, genau so ein Trikot wollte ich immer haben – daher auch hier noch mal ein riesiges Dankeschön an Thomas Richtung Düsseldorf. Ich werde es hüten wie meinen Augapfel und es natürlich Freitag gegen Bayern gleich tragen. Und wenn der Fußballgott irgendwann ein Einsehen hat und mir meinen so sehr gewünschten Titel schenkt, dann wird es seine zweite Meisterfeier erleben.
Kaum saßen das Trikot und ich zusammen auf dem Sofa (Ich bin da wie ein kleines Kind, das an Heiligabend die neuen Spielsachen mit ins Bett nimmt.), spielte der HSV auch schon in Mainz. Lustigerweise, denn das hätte so ja auch keiner gedacht, ein Spiel, auf das alle guckten. Mehr wegen Mainz, als wegen dem HSV – die waren nämlich mit sieben Siegen in Folge in die Saison gestartet, hatten den Startrekord von Bayern (1995) und Lautern (2001) eingestellt – und wollten gegen uns einen neuen aufstellen.
Moment mal… Siegesserie? Bayern? Da war doch was…! Genau.
2005 hatte Bayern saisonübergreifend 15 Siege in Folge gewonnen, 16 nicht verloren. Dann kam das Spiel beim HSV – und die Serie war vorbei.
Der zweite Streich folgte ein halbes Jahr später: Wieder hatten die Bayern 16 Spieltage lang nicht verloren, der HSV kommt – und gewinnt.
Eigentlich KONNTE also auch gar nix schief gehen. Dachten meine Rothosen auch – und machten ordentliche Ansagen Richtung Mainz, Veh inklusive.
Ich bin ja, wen wundert’s, ein Freund von Großmäuligkeit. Ein noch größerer Freund bin ich aber davon, diesen Worten Taten folgen zu lassen. Denn sonst bietet man den Lieblingsgegnern einfach zu viel Angriffsfläche. Darauf hatte der HSV sicher keinen Bock.
Außerdem hatte ich ein weiteres As im Ärmel: Tissi war im Stadion und hatte mir vorher schriftlich gegeben, daß er den Sieg mitbringt…
Ich war entsprechend entspannt.
Neben Ruud spielte diesmal Guerrero – eine gute Wahl. Okay, wir hätten auch nicht viele Alternativen im Sturm gehabt (Außer, wieder auf lustige Systeme umzustellen, die wir nicht können) – aber Guerrero gefiel mir jedenfalls richtig gut.
Auch Zé (Wir erinnern uns, das ist immer mehr so subjektiver Mädcheneindruck hier – die Fakten dröselt wie immer Nedfuller auf) gefiel mir gut – endlich wurde er mal nicht hinten in der Abwehr verschenkt, sondern konnte im Mittelfeld für Gefahr sorgen.
Gefahr gab es reichlich – es gab Torchancen hüben wie drüben. Mainz tat uns den großen Gefallen und spielte Fußball – anstatt sich hinten reinzustellen und zu mauern.
Immer wieder schienen sich beide Mannschaften “Wolle mer’n roilosse??” zu fragen – zweimal stand dabei nur noch die Latte im Weg. Ein weiteres Mal stand der Schiri im Weg – er gab ein Tor von Ruud nicht. Ich fand die Entscheidung hart, wenn nicht sogar unberechtigt – aber mich fragt ja keiner.
Ich habe eigentlich die ganze Zeit über nie mein “Die hau’n wer wech!”-Gefühl verloren. Nur, daß irgendwann die Zeit davonzulaufen schien. Und dann, kurz vor Schluß… BÄMM! Guerrero. Nulleins. AUS!WÄRTS!SIEG!
Der HSV also wieder einmal als Serienkiller. Wie sagte Poldi am Freitag nach dem Kölnspiel so schön?
“Jetzt stehen wir wieder mit leeren Punkten da.”
Wir zum Glück nicht. Und wo jetzt die Mainzer Serie gerissen ist, wäre es an der Zeit, eine neue zu beginnen. Der HSV hat zwei Siege aus den letzten beiden Spielen – und ich finde, am Freitag darf da gerne ein dritter dazu kommen. Das magische Trikot und ich werden jedenfalls alles dafür tun.
In diesem Sinne: NUR DER HSV!