Diese Woche erschien der “Glücksatlas Deutschland” – eine Studie, derzufolge die Menschen in Hamburg am glücklichsten sind. Spätestens seit Freitagabend glaube ich das gern.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht: Ich hatte vergessen, wie es ist, zu gewinnen. Auswärts. Nach einem Rückstand.
Ja, klar, wir hatten Oldenburg. Aber ich meine jetzt in der Liga.
Der letzte Sieg: Im März. Jetzt ist September. Das sind verdammte sechs Monate ohne – und jetzt kommt mir hier bloß nicht mit Sommerpause und so nem Quatsch!
Seit dem Schlußpfiff am Freitag weiß ich wieder, wie sich das anfühlt. Und ich möchte dieses Gefühl am liebsten nie wieder missen.
Der HSV lebt noch, das hat er am Freitag in Stuttgart eindrucksvoll bewiesen. Die Mannschaft KANN – und sie WILL offenbar auch.
Ein gutes Gefühl.
Als Interimstrainer saß Pelu auf der Bank – auch bekannt als Rodolfo Esteban Cardoso. Er sieht laut @ankegroener ein wenig aus wie ein Monchichi, und spielte für den HSV, als ich anfing, über ihn zu schreiben. (Ja, so lange mache ich diesen Quatsch schon!)
Cardoso, sonst Trainer der Zwoten und mit ihnen Tabellenführer, brachte dann gleich mal einen Spieler aus der Zwoten mit, von dem ich noch nie vorher gehört hatte: Zhi Gin Lam ist 20 und spielte, als hätte er nie etwas anderes gemacht.
Anstatt erfürchtig vor den gegnerischen Nationalspielern und dem vollen Stadion zu erstarren, machte er ordentlich Tempo und spielte frisch und frei von der Leber weg. Der Hammer.
Mich erinnerte das an ein ganz besonderes Spiel, nachdem ich etwas ähnliches über einen recht jungen Spieler schrieb. Damals, vor ziemlich genau 11 Jahren, HSV – Juventus Turin. Das Spiel endete 4 – 4.
Der Spieler, der damals unbeeindruckt von Namen wie Zidane, Del Piero und Inzaghi wirbelte? Marcel Ketelaer.
Ich hoffe inständig, daß Lam einen anderen Weg einschlägt als Ketelaer, der sich kurz nach diesem Spiel zu einem der größten Fehleinkäufe der Vereinsgeschichte entwickelte. Aber ich schweife ab.
Von Beginn an spielte der HSV besser als die letzten Spiele. Es war Zug nach vorne da. Es wurde gerannt, Pässe kamen an, es gab Seitenwechsel, es ging zum gegnerischen Tor, es wurde sogar, man lese uns staune, aufs Tor geschossen. Töre machte Druck, Lam wirbelte, es war Tempo drin. Cardoso schien die gezogene Handbremse gefunden und gelöst zu haben.
Dann kam nach knapp einer Viertelstunde der Rückstand – und ich hatte ein wenig Sorge, daß alles wieder auseinanderbricht. Es gab kurz drauf noch einen Aluminiumtreffer, alleine da bin ich 10 Jahre gealtert.
Gegen Ende der ersten Halbzeit hoffte ich nur noch auf den Pausenpfiff, die Defensive wackelte mir streckenweise etwas zu sehr – und darauf, daß Cardoso die richtigen Worte findet.
Und dann… Zweite Halbzeit. Auftritt des HSV, wie ich ihn sehen will. Mit wirklichem Willen und Kampfgeist. Mit Ideen. Ich hoffe, Cardoso hat sich seine Halbzeitworte gut gemerkt!
Kurz nach Wiederanpfiff gelang Bruma das Einseins. Tesche besorgte eine Viertelstunde später das Zwoeins. Sogar beide Tore nach Ecken, wenn ich mich nicht irre.
Emotionaler Höhepunkt in der 81. Minute: Das Comeback von Romeo Castelen. Gänsehaut pur. Ich glaube, es gab wenige HSV-Fans, denen das nicht nahe ging. Es ist so schön, ihn wieder auf dem Platz zu sehen! Er hatte gleich eine gute Aktion, ich würde ihn am liebsten in Knallfolie packen, damit ihm nichts passiert und er uns diesmal lange erhalten bleibt!
Und dann, endlich: Schlußpfiff. Die jungen Wilden (Papa Schlumpf Jaro saß auf der Bank, wurde erst in der Nachspielzeit zwecks Zeitschinderei eingewechselt) holten nach einem guten Spiel den ersten Dreier – und die Hoffnung zurück nach Hamburg.
Es geht also doch. Man muß sich nur was trauen und ein paar 19- und 20-Jährige aufs Feld schicken.
Der HSV ist immer noch letzter, Punktgleich mit Platz 16 – aber das, was ich Freitag gesehen habe, macht Hoffnung.
Die Trainerfrage ist weiter ungeklärt. Während am Freitag Huub Stevens so gut wie neuer Trainer war, wurde ihm jetzt abgesagt, wohl, weil er zeitgleich mit Schalke verhandelte und man einen Trainer will, der 100% zum HSV steht.
Stand heute wird daher Cardoso auch gegen Schalke auf der Bank sitzen. Ich hoffe, daß Bruma, Töre & Co. auch dann so mutig und frisch auftreten. Wer weiß, vielleicht darf ja Lam wieder ran – ich würde mich freuen.
In diesem Sinne:
NUR DER HSV!