17. Mai. 2013
Ich weiß noch genau, wo ich war, damals, im Mai 2001, als Schalke fünf Minuten lang Meister war.
Ich saß mit Stadionkumpel B. in Heidelberg in meiner Stammkneipe und schüttelte ungläubig den Kopf über meinen HSV. Nicht zum letzten Mal in meinem Fan-Leben.
Seit jenem Tag hatte der HSV bei vielen Fans anderer Vereine diesen Makel: Ihr seid Schuld. Ihr habt es versaut.
Als der HSV am Samstag nach Hoffenheim fuhr, um die am Abgrund zur zweiten Liga taumelnde TSG in die Tiefe zu stoßen, bot sich die Möglichkeit, diesen Makel ein wenig auszubügeln. “Versaut es nicht wieder!” hörte ich häufig im Vorfeld.
Und da man wichtige Dinge am besten selbst macht, machte ich am Samstag das, was alle normalen Menschen am Wochenende so machen: Ich fuhr ins Grüne.
Bisher kannte ich diese Freizeitgestaltung ja eher von Hören sagen – ich fahre am Wochenende nämlich eher nicht ins Grüne, denn das wäre ja Bremen, sondern ins Schwarz-Weiß-Blaue.
Und mein Schwarz-Weiß-Blaues ist dann doch eine andere Art der Idylle als das Grüne, in das Unmengen Großstädter Wochenende für Wochenende aufbrechen.
Blumen gibt es keine, der Rasen steht zwar im Mittelpunkt, ist aber überschaubar – und mit der Ruhe und dem Vogelgezwitscher ist das auch eher so ‘ne Sache.
In meinem Schwarz-Weiß-Blauen pfeifen keine Vögel, sondern der Schiedsrichter (oder das unzufriedene Hamburger Publikum) und wenn’s wirklich still ist, dann läuft irgendwas gründlich schief.
Dann war da also dieses “ins Grüne” am Samstag – ein Stadion mitten in der Pampa, umgeben von Rapsfeldern, Äckern, grünen Wiesen – und mit einem Froschteich vor der Tür, der mehr Lärm machte als die Heimfans. (Ich wünschte, es wäre ein Scherz – es ist aber keiner.)
Für mich war es der erste Besuch im Sinsheimer Stadion – damals, in der ersten Erstligasaison, stand ich im Mannheimer Carl-Benz-Stadion im Block und sah meinen HSV verlieren.
Es folgten für den HSV weitere unschöne Spiele im Kraichgau. Die Bilanz vor Samstag: Vier Spiele, ein Punkt, 1:12 Tore.
Das ging so nicht, da mußte mal jemand ran, der Ahnung hat. Thorsten Fink. Son und Rudnevs. Das Nudelholz und ich.
Ich war im Stadion, wie ich immer im Stadion bin – viiiiiiel zu früh. Und dennoch war der Gästeblock proppenvoll. Fast 90 Minuten vor Anpfiff war es schwer, überhaupt noch einen Platz zu finden, es wurden Fahnen geschwenkt, geklatscht und gesungen. Bombenstimmung! Zumindest an meinem Ende des Stadions.
Stadionkumpel B. war diesmal übrigens auch wieder da. Wir fanden uns im Gedränge des Blocks allerdings nicht. Vielleicht besser so – unsere letzten gemeinsamen Spiele endeten jeweils mit unschönen Niederlagen und dem Ausscheiden aus dem DFB-Pokal.
Diesmal sollte alles anders werden. MUSSTE. Für den Hoffenheimer Abstieg – und eine kleine Rest-Chance, doch noch den Sprung ins internationale Geschäft zu schaffen.
Aufregung? Fehlanzeige. Aus irgendeinem Grund war ich schon den ganzen Tag tiefenentspannt. Und das, wo das mit dem HSV nicht immer so gut klappt gegen Vereine, die unten drin stehen – und es für Hoffenheim die letzte halbwegs realistische Chance war, sich vorm Abstieg zu retten.
Eigentlich KONNTE der HSV nur verlieren. Tat er aber nicht. Son traf in der 18., Aogo in der 35. – ein Zwonull bei einem Abstiegskandidaten reichte für eine sehr entspannte, wenn auch franzbrötchenlose Halbzeitpause.
Danach ging’s gut weiter: Jiracek erhöhte in der 60. auf 3:0. AUS!WÄRTS!SIEG!
Daß direkt im Anschluß das Dreieins fiel… nunja. Schade, ein wenig unnötig – aber nichts, was mich aus der Ruhe bringen würde.
In der 78. brachte Fink dann Rudnevs, zehn Minuten später machte der das 4:1. FUCKYEAHAUSWÄRTSSIEG!
Was folgte, waren lange Gesichter seitens der Hoffenheimer, eine AuswärtsUFFTA – und dieses wunderbare Transparent in den Händen unserer Mannschaft:
Sehr viel mehr braucht es eigentlich gar nicht, damit ich einen verdammt guten Tag habe. Und weil ich so ein unheimlich bescheidenes Ding bin, könnten wir das doch einfach in ein paar Stunden gegen Leverkusen noch mal wiederholen, oder?
Ich werde natürlich die gleichen Klamotten tragen wie in Hoffenheim und ich habe heute Abend, wie vor meinem letzten Heimsieg gegen Düsseldorf und dem Aus!Wärts!Sieg! in Sinsheim, Pizza gegessen. Man muß schließlich Opfer bringen. Den Rest macht dann der liebe Gott Golfsburg.
In diesem Sinne:
Glaube, Liebe, Hoffnung.
NUR DER HSV!
PS: Der einzige Nachteil daran, daß Hoppenheim dann ab 17.20 Uhr wieder in der zweiten Liga stehen wird: Ich kann vorerst nicht mehr in meinen Farben durch meine Stadt. Aber dieses Opfer bringe ich gerne.